Der Iran unter Druck – Vom Kampf gegen Corona und US-Sanktionen
Schon mit großen innen- und außenpolitischen Herausforderungen wie der US-Politik des „maximalen Drucks“ am Ringen, treffen die Auswirkungen des Coronavirus den Iran hart. Wie lange das Regime in Teheran dem Druck noch standhält und welche Auswirkungen die derzeitigen Entwicklungen für den Iran und die regionale Sicherheit haben sowie andere Fragen besprach Nahostexperte Stefan Lukas im ersten online Themenabend der Hochschulgruppe Aachen.
Eingeführt durch eine kurze Darstellung der Besonderheiten des wohl einzigartigen politischen Systems des Irans, gab der eingeladene Referent und Nahostexperte Stefan Lukas, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Universität Jena und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr zu Hamburg, Einblicke in die Strukturen und Verschiebungen im Machtgefüge und sicherheitspolitischen Systems des Irans, dominiert durch die Revolutionsgarden (Pasdaran) und den ihr untergeordneten, auf auswärtige Unternehmen spezialisierten, Al-Quds Brigaden.
Bereits mit den politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Austritts aus dem Nuklearabkommen und Sanktionen der USA innenpolitisch am Kämpfen, habe die Coronavirus-Pandemie das iranische Regime nochmals verstärkt unter Druck gesetzt. So würden der erneut gesunkene Ölpreis und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die Wirtschaft und Bevölkerung weiter belasten, was aufgrund der Schwäche des sozialen Absicherungssystems, hohe Anzahl an Tagelöhnern, Wanderarbeitern und Flüchtlingen sowie steigender Verdrossenheit der Bevölkerung besonders gefährlich sei. Ferner erleide der Iran aktuell außen- und sicherheitspolitische Rückschläge durch die Destabilisierung der Länder, in die man investiert hat, insbesondere des Iraks und Syriens.
Die aktuellen Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf das Machtgefüge im Iran. Während die Sanktionen und der Austritt der USA aus dem Atomabkommen die Hardliner im Konkurrenzkampf gegen die moderate Regierung Hassan Rohanis gestärkt haben, habe die Pandemie die religiösen Kräfte geschwächt, teilweise durch den Verlust der Freitagsgebete als Propagandakanal aufgrund deren Einstellung zur Eindämmung des Ausbruchs. Diese wiederum würden Druck auf den iranischen Staat ausüben. Nach Stefan Lukas sei diese Schwächung nur temporär, jedoch drohe das Regime in der Zwischenzeit die Gefahr die Deutungshoheit gegenüber der eigenen Bevölkerung zu verlieren.
International isoliert und durch die Sanktionen und den tiefen Ölpreis unter Druck gesetzt, gerate der Iran immer mehr unter den Einfluss Russland und Chinas. Gerade die wachsende einseitige Abhängigkeit vom Reich der Mitte sei für den Iran und seinen eher pro-europäischen Präsidenten Rohani problematisch. Diese Abhängigkeit habe nach Lukas auch Auswirkungen auf den Lauf der Pandemie im Iran gehabt. So sei dieser „höchstwahrscheinlich durch die enge Beziehung zu China“ ins Land geholt worden. Darum bedacht Peking nicht zu verärgern und in Hoffnung auf Unterstützung in der Handhabung der Pandemie habe man sich gescheut sich von China abzuschotten. China seinerseits sei kaum auf den Iran angewiesen. Während Peking unwillig sei den Iran wieder aus seiner Einflusssphäre zu lassen, hätte es, sollte es zweckdienlich erscheinen, keine Scheu den Iran plötzlich fallen zu lassen.
Im Ausblick und in Antwort auf die Frage eines Studenten bemängelte Lukas das Fehlen einer Exitstrategie aufseiten der Vereinigten Staaten. So schwäche die US-Politik des „maximalen Drucks“ nicht nur die Moderaten im Iran, sondern destabilisiere die gesamte Region ohne eine Strategie oder realistische Aussicht auf Veränderung. Obwohl der Iran heute so stark unter Druck stünde wie zuletzt in den 70er Jahren, hält es der Nahostexperte für unwahrscheinlich, dass das Regime kippt.
Neben den medial prominenten Themen des Coronavirus oder des wirtschaftlichen oder außenpolitischen Drucks, sei nach Meinung von Stefan Lukas der Klimawandel eines der größten Herausforderungen für den Iran – eine Fragestellung, die in der sicherheitspolitischen Debatte unterbelichtet ist. Der Iran sei gegenüber der zunehmenden Häufigkeit von Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen besonders verletzlich. Als Beispiel führte er die Austrocknung von Süßwasserseen in den letzten Jahrzehnten durch Misswirtschaft und Dürre und massive Überschwemmungen in ärmeren Regionen, denen „die Revolutionsgarden relativ hilflos […] gegenüberstanden, aber als Folge dessen den Klimawandel als eine der Hauptprobleme für ihre eigene Stabilität mitangesehen haben.“
Mit dem Ziel auch trotz der anhaltenden Pandemie weiterhin zur außen- und sicherheitspolitischen Bildung und Debatte beizutragen, stellte die Veranstaltung am 12. Mai das erste Mal dar, dass der Studentische Arbeitskreis für Außen- und Sicherheitspolitik RWTH Aachen einen seiner Themenabende ausschließlich online hat stattfinden lassen. Eine positive Konsequenz war die entsprechend hohe Reichweite der Veranstaltung welche rund 30 Teilnehmer aus der ganzen Republik anlockte. Einen erfolgreichen Erstdurchlauf, stellt der online-Themenabend ein Muster für bevorstehende Veranstaltungen der Hochschulgruppe dar.