Gefahren und Folgen des Brexit- Zerbricht Europa am Brexit?

„Das ist unverantwortlich“, kommentierte Dr. Robert Flader das Verhalten der britischen Regierung knapp sechs Wochen vor dem geplanten Austritt Großbritanniens. Immer noch bestehe notwendiger Diskussionsbedarf über das genaue Austrittsszenario, das nach Flader schon unlängst hätte feststehen sollen. Auf Einladung des Arbeitskreises für Außen- und Sicherheitspolitik der RWTH Aachen hielt er am 19. Februar 2019 einen Vortrag am Institut für Politische Wissenschaft, an dem der Politikwissenschaftler auch zur Brexit-Thematik lehrt und forscht. Außerdem hat er zum Verhältnis der Europäischen Union zu Großbritannien promoviert.

Vom ehemaligen Premierminister David Cameron initiiert stimmte das britische Volk am 23. Juni 2016 über den Austritt aus der Europäischen Union (EU) ab, dessen Ergebnis als bislang beispielloses Ereignis in der Historie der EU gilt. Dem zugrunde läge ein seit den vor allem 1980er – 90er Jahren zunehmender Euro- bzw. Europaskeptizismus und Populismus, welcher unter Anderem aufgrund der seit jeher vorherrschenden britischen Sonderrolle im europäischen Kontext bestehe. Ein Teilnehmender plädierte, dass es im Zuge dessen notwendig sei, auch die emotionale Ebene des Wahlkampfes konkreter zu erörtern, um das Brexit-Votum besser einordnen zu können. Nach einhelliger Auffassung der Teilnehmenden bestehe zudem ein gesamteuropäischer Wandel hin zum Euroskeptizismus und Populismus, mit dem sich die europäische Union dringend auseinandersetzen müsse.

Aufgrund der knappen Entscheidung der britischen BürgerInnen bezeichnete Flader Großbritannien als „gespaltenes Land“. Da die Vorstellungen der politischen Funktionsträger über die Zukunft Großbritanniens weit auseinandergehen, bestehe das Problem vor allem darin, dass sich die britische Regierung auf keinen gemeinsamen Konsens einigen könne. Eine der wichtigsten Protagonistinnen sei dabei die Premierministerin Theresa May, die sich in der Rolle sieht, das legitim gewählte Referendum durchzusetzen. Sie stoße in der Opposition sowie auch in ihrer eigenen Partei durchgehend auf Kritik, so habe sie jüngst erst zwei Misstrauensvoten überstehen müssen. Ein neuer Wahlkampf koste zu viel Zeit und auch ein neues Referendum stehe aufgrund der knappen Entscheidung in der Kritik. Die Zeit bis zum geplanten Austrittstag werde immer knapper. Daher ist für Flader ein unkontrollierter, regelloser Austritt Großbritanniens die wahrscheinlichste Option – wenn auch nicht die wünschenswerteste.

Nach Auffassung der Teilnehmenden sei die Abschätzung von Chancen oder Herausforderungen rein spekulativ, dennoch zeigte sich in der Diskussion ein Konsens darüber ab, dass ein Brexit, der momentan noch so viele drängende Fragen offenlässt, eher als Gefahr denn als Herausforderung gesehen werden kann. Innenpolitisch bestehe in Großbritannien das Problem der Gespaltenheit der BritenInnen sowie die Frage nach der Zukunft Nordirlands und Schottland. Außenpolitisch sei die Rolle Großbritanniens in der UN sowie die sicherheitspolitische Zukunft noch unsicher. Für die europäische Union könne eine Herausforderung der fortschreitende Euroskeptizismus sein, der zu neuen Austritts-Referenden führen könne, obwohl ein harter Brexit auch eine abschreckende Wirkung auf andere separatistische Bewegungen haben kann – dafür sei jedoch ebenfalls viel Fingerspitzengefühl der EU von Nöten, um das notwendige Verhältnis zwischen Konfliktlösung und Unnachgiebigkeit zu finden. Der Brexit könne aber auch dazu führen, dass sich die übrigen EU-Mitgliedstaaten wieder enger verbinden, immerhin haben sich die Mitglieder bereits schneller auf einen Referendumsvorschlag einigen können.

Vor allem im Hinblick auf die baldigen Europawahlen sei es notwendig Gewissheit über das genaue Szenario zu erlangen. Wie ein Teilnehmer anmerkte, sei es auch bei einem überraschenden Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union unbedingt notwendig das Verhältnis zwischen EU und den unzufriedenen Mitgliedsstaaten aufzuarbeiten.

Insgesamt kam die Veranstaltung bei den Teilnehmenden gut an und die Beteiligten äußerten sich zuversichtlich, ein ähnliches Format nach dem offiziellen Austrittstermin wiederholen zu wollen.