Quo vadis Brexit ?

Dr. Robert Flader

Seit dem 31. Januar 2020 hat die europäische Union (EU) einen Mitgliedstaat weniger: Nach 47 Jahren tritt Großbritannien aus, zunächst in eine knapp einjährige Übergangsphase. Was danach kommt ist trotz jahrelanger Verhandlungen weitestgehend unklar. Für den Politikwissenschaftler und Brexit- Experten Dr. Robert Flader vom Institut für Politische Wissenschaft ein „massiver Fehler“. Für ihn besteht die Herausforderung vor allem darin, dass das Ereignis bisher als beispiellos gilt und es somit keinen Vergleich zur Orientierung gibt. Zudem führen die häufigen Wahlen letzten Zeit zu Instabilität und erschweren die Konsensfindung im Britischen Parlament. Am 3.Februar hielt Flader, auf Einladung des Arbeitskreises für Außen- und Sicherheitspolitik nun schon zum wiederholten Mal einen Vortrag zu der Brexit-Thematik und knüpfte dabei an seinen vorherigen, vor knapp einem Jahr an.

Dem Ergebnis des Referendums von 2016 liege zunächst ein seit den 80- 90er Jahren zunehmender, Europaskeptizismus zugrunde. Dieser wurde im Referendums-Wahlkampf aufgegriffen und politisch instrumentalisiert. Für Flader sind hierbei neben Politikern vor allem auch die Medien in der Mitverantwortung. So haben insbesondere Printmedien mit hoher Auflage offensichtlich Wahlkampf für den Austritt aus der EU betrieben. Kritik daran, beziehungsweise Stimmen für die Pro- EU- Seite waren somit wenig vertreten. Laut einem (r) Teilnehmer (in) sei dabei auch die Aktivität anderer Länder oder Unternehmen nicht zu vernachlässigen und müsse diskutiert und aufgearbeitet werden. Da das Ergebnis des Referendums sehr knapp ausfiel sei die Bevölkerung „gespalten“. Dies werde durch einen fehlenden aktuellen Plan für die Zeit nach der Übergangsphase verstärkt. Betrachtet man diese zunehmende Entfremdung von EU und Großbritannien könne der Brexit laut Flader dennoch als „folgerichtiges Ereignis“ eingeordnet werden. Nach einhelliger Auffassung der Teilnehmenden sei demnach eine umfassende Selbstreflexion der EU notwendig, die sich im Zuge des Brexits vor allem mit der europäischen Integrationspolitik auseinandersetzen müsse.

Eine Abschätzung der Folgen des Brexits gestaltet sich nicht zuletzt auf Grund der Aktualität der Ereignisse spekulativ. Fest steht jedoch: Lässt sich der Brexit möglicherweise als Erfolg auf wirtschaftlicher, politischer und ziviler Ebene einordnen, indem sich Großbritannien vorteilhaft entwickelt, könnte dies auch andere EU- Staaten zu einem Ausstieg bewegen. Wie ein (e) Teilnehmer (in) anmerkte, könne dies auch das gesamte heutige bestehende Konzept der EU in Frage stellen und eventuell den Anfang einer neuen Form europäischen Zusammenlebens markieren.

Schließlich sei es laut Auffassung der Teilnehmenden notwendig sich die Frage zu stellen in welche Richtung sich die EU aktuell und zukünftig entwickelt und entwickeln soll. Dies stelle eine Herausforderung dar, die durch den Brexit wieder mehr in den Fokus gerückt werden könne.

Insgesamt kam die Veranstaltung bei den Teilnehmenden gut an und die Beteiligten äußerten sich zuversichtlich, ein ähnliches Format nach dem Ende der Übergangsphase wiederholen zu wollen.